Gefühle als Inhalt und Wirkfaktor in der Erwachsenenbildung
Nachdem der Neurowissenschaftler António Damasio in den 1990iger Jahren festgestellt hatte, dass unsere Entscheidungen und unser Verhalten wesentlich von unseren Gefühlen geleitet werden, beschäftigten sich auch die wissenschaftliche Pädagogik und Erwachsenenbildung wieder intensiver mit Emotionen.

Wiltrud Gieseke schrieb ihr Standardwerk 'Lebenslanges Lernen und Emotionen': https://tinyurl.com/4hm8cfpf
Matthias Huber und Sabine Krause gaben das Buch 'Bildung und Emotion' heraus: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-18589-3
Beide Bücher gaben uns viele Anregungen für die didaktische Entwicklung von empCARE. Wir streben ein nachhaltiges, reflexives Lernen im Umgang mit der eigenen Empathie in der beruflichen Pflege an. Die wissenschaftliche Evaluation hat nachgewiesen, dass empCARE einen Beitrag zur Professionalisierung pflegerischer Interaktionen und zur Prävention von Burnout und psychosomatischen Beschwerden leistet.
Die vier Dimensionen einer Didaktik der Einladung
Pflegefachpersonen sind Expert*innen für den Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen. Sie sind oft überrascht, wenn wir ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse im Seminar genauso wichtig nehmen, wie die ihrer Patient*innen. Während der beruflichen Sozialisation haben manche allerdings den Kontakt zu den eigenen Gefühlen verloren.
Wie also kriegt man Expert*innen für den Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen dazu, eigene Gefühle zu reflektieren? Wie stößt man reflexives Lernen bei ihnen an?
Wir haben bei der didaktischen Planung vier Dimensionen berücksichtigt.
Der Körper im Raum
Lernen als soziales Geschehen
Emotionen und Lernen
Wissen erweitern
Der Körper im Raum
Es ist schon lange bekannt, dass Bewegung das Lernen fördert. Wir machen mit unseren Teilnehmer*innen aber nicht etwa ausgefeilte Gymnastik zur Verbesserung der Merkfähigkeiten und sie stellen ihre Gefühle auch nicht in einem Ausdruckstanz dar. Wir geben den Teilnehmer*innen im wahrsten Sinne des Wortes Raum, um neue Erfahrungen zu machen:
Wir gestalten den Seminarraum so, dass das hierarchische Gefälle zwischen Lernenden und Lehrenden flach bleibt.
Wir laden die Teilnehmer*innen immer wieder zu Positionswechseln im Raum ein. Das unterstützt gedankliche Positionswechsel. Die Teilnehmer*innen bleiben aktiver und aufmerksamer, wenn sie nicht an ihrem Sitzplatz festgebunden sind.
Wir verwenden Übungen im Sitzen, im Stehen und im Umhergehen. Auch das erhöht die Flexibilität im Denken und Fühlen.
Lernen als soziales Geschehen
Wiltrud Gieseke betont, dass reflexives Lernen immer ein sozialer Prozess ist. Dazu bedarf es Vertrauen auf der einen und Herausforderung auf der anderen Seite. Das Infragestellen von Haltungen, Werten, Verhaltensweisen gelingt besser, wenn die Beziehung zwischen den Teilnehmer*innen untereinander und zwischen den Teilnehmer*innen und der Seminarleitung als vertrauensvoll und sicher erlebt wird. Wir sorgen aktiv für eine vertrauensvolle Atmosphäre im Seminar.
Wir beginnen jedes empCARE-Seminar mit einem offenen Austausch, bei dem sich die Teilnehmer*innen über mehrere Runden in Dyaden für wenige Minuten über ein jeweils neues, vorgegebenes Thema unterhalten und sich kennenlernen können.
Wir lassen Äußerungen von Teilnehmer*innen stehen, auch wenn sie uns fragwürdig oder provokant erscheinen. Wir streben an, mit der jeweiligen Person, die mit ihrer Äußerung verbundenen Gefühle und Bedürfnisse herauszuarbeiten, anstatt uns in eine Auseinandersetzung über richtig oder falsch zu begeben.
Wir arbeiten ressourcenorientiert. Wir schauen vorrangig auf das, was schon gelingt. Wir sehen unsere eigenen und die Fehler von Teilnehmer*innen wohlwollend an. Wir suchen mit der jeweiligen Person danach, wie ein Fehler entstanden ist und welche Gefühle und Bedürfnisse damit verbunden sind.
Emotionen und Lernen
Gefühle sind Inhalt und Wirkfaktor in den empCARE-Seminaren. Sie beeinflussen wesentlich unser Verhalten und Denken. Aus der kontextuellen Verhaltenswissenschaft und der Achtsamkeitsforschung wissen wir aber auch, dass umgekehrt kognitive Prozesse unsere Gefühle regulieren und beeinflussen können. Der Bildungswissenschaftler Rolf Arnold sprach von der "leidenschaftslosen Betrachtung der Leidenschaften". Bei empCARE geht es nicht darum, negative Gefühle loszuwerden oder zu verändern, z. B. durch die Umbewertung einer erlebten Situation. Wir verstehen Gefühle als Hinweisgeber auf Bedürfnisse und lassen sie produktiv werden.
Wir akzeptieren die Gefühle der Teilnehmer*innen, ohne sie zu bewerten.
Wir planen ausreichend Zeit für die Reflexion von Gefühlen ein, um automatisierte Handlungsimpulse zu unterbrechen.
Wir entkoppeln durch die Gliederung der Seminarabschnitte den unbewusst ablaufenden Automatismus aus Wahrnehmung, Gefühl, Bedürfnis und Handeln. Für jeden der Faktoren gibt es im Seminar eigene Übungen und theoretischen Input.
Wir erläutern auf Grundlage der Gewaltfreien Kommunikation von M. R. Rosenberg den Zusammenhang zwischen negativ erlebten Gefühlen und unbefriedigten Bedürfnissen. In speziellen Übungen werden sich die Teilnehmer*innen ihrer Bedürfnisse bewusst und entwickeln Strategien, mit denen sie sie befriedigen können.
Wissen erweitern
empCARE-Seminare sind in weiten Teilen erfahrungsorientiert. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Teilnehmer*innen die gewonnenen neuen Denk- und Handlungsoptionen kognitiv strukturieren. An die Seminarleitung stellt das hohe Anforderungen.
Die ausgebildeten Trainer*innen haben sich intensiv mit den Inhalten von empCARE auseinandergesetzt und sind thematisch und methodisch intensiv geschult.
Durch authentische Geschichten aus der Praxis der Teilnehmer*innen knüpfen wir an ihre Erfahrungen an und locken ihr Vorwissen hervor.
Mehrfach lassen wir die Teilnehmer*innen zunächst eine Erfahrung zu einem Inhalt machen. Erst im Anschluss strukturieren sie durch zusätzliche theoretische Inhalte diese Erfahrungen neu.
Neben der intensiven fachlichen Schulung legen wir bei der Ausbildung der Trainer*innen Wert darauf, dass sie ihren persönlichen Stil entwickeln, mit dem sie Begeisterung für die Inhalte von empCARE entfachen können.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Möchten Sie empCARE kennenlernen? Informieren Sie sich auf unserer Webseite Training.
Sie arbeiten als Pflegepädagog*in oder als Trainer*in und möchten empCARE-Trainer*in werden? Informieren Sie sich über unsere nächste Ausbildung auf den Seiten der Uniklinik Bonn.
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